Dr. Yvonne Ritze, Mental-Mentoring

Dr. Yvonne Ritze
wissenschaftliches Mentoring
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Gesundheit und Wohlbefinden hat auch mit dem Kopf zu tun: Daher ist es sehr spannend, die neurowissenschaftliche Perspektive dazu kennenzulernen. Ein Thema, das uns täglich begleitet, ist das Setzen von Zielen. ‚einfach gesund‘ befragt Dr. Yvonne Ritze, Neurowissenschaftlerin und Expertin für Verhaltensneurobiologie zum Zielsetzungsprozess.
einfach gesund: Frau Dr. Ritze, wir hören oft, wie wichtig das Setzen von Zielen für den Erfolg und das Wohlbefinden ist. Was passiert genau in unserem Gehirn, wenn wir uns Ziele setzen?
Yvonne Ritze: Dabei aktivieren wir verschiedene Bereiche des Gehirns, besonders den präfrontalen Kortex, der für die Planung und Entscheidungsfindung verantwortlich ist. Er hilft uns dabei, den Weg zum Ziel zu strukturieren und die nötigen Schritte dahin festzulegen. Darüber hinaus spielt das Belohnungssystem, insbesondere der Neurotransmitter Dopamin, eine entscheidende Rolle.
Warum ist Dopamin als Teil des Belohnungssystems so wichtig?
Das dopaminerge System ist im Wesentlichen der ‚Motivator‘ im Gehirn. Dopamin wird ausgeschüttet, wenn wir ein Ziel erreichen oder auf dem Weg dorthin Fortschritte machen. Diese Dopaminausschüttung gibt uns ein Gefühl von Belohnung und Freude, was wiederum unsere Motivation steigert, weiterzumachen. Ohne diese positive Rückmeldung wäre es deutlich schwieriger, unser Verhalten langfristig auf ein Ziel auszurichten.
Also hilft uns das Dopamin dabei, nicht aufzugeben. Was aber passiert, wenn wir ein Ziel nicht erreichen?
Genau. – Dopamin gibt uns den Anreiz, weiterzumachen. Erreichen wir ein Ziel nicht, kann es zu einem Rückgang der Dopaminausschüttung kommen. Eine Enttäuschung sowie eine verringerte Motivation können die Folge sein. Hier wird es interessant: Unser Gehirn hat nämlich Mechanismen, um mit Misserfolgen umzugehen. Das heißt, unser Gehirn sucht aktiv nach Wegen, um das nächste Mal erfolgreicher zu sein, was wiederum Lernprozesse und Anpassungsstrategien anstößt.
Ein Misserfolg ist also nicht unbedingt negativ, sondern kann eine Lernchance bieten?
Absolut! Misserfolge sind eine wichtige Lernquelle für zukünftige Handlungen. Das Gehirn analysiert Fehler und passt unser Verhalten an. Diese Anpassungsfähigkeit ist ein fundamentaler Bestandteil unserer kognitiven Flexibilität. Sie ermöglicht es uns, auch aus schwierigen Erfahrungen zu lernen und neue Strategien zu entwickeln.
Das ist sehr aufschlussreich. Wie können wir dabei sicherstellen, dass wir uns realistische und zugleich herausfordernde Ziele setzen, die unser Gehirn motivieren, ohne es zu überfordern?
Das ist eine sehr wichtige Frage. Es gibt tatsächlich einen sehr bedeutsamen Kipppunkt, den Neurowissenschaftler als das ‚Goldene Ziel‘ bezeichnen. Das Ziel, dass dieser Idee folgt, darf weder zu leicht noch zu schwierig sein. Die Zielsetzung sollte in einem Bereich liegen, in dem das Gehirn einerseits genügend Herausforderungen findet, aber anderseits auch in der Lage ist, es erreichen zu können. Wenn das Ziel zu einfach ist, fehlt die Motivation; wenn es zu schwer ist, kann das Gehirn in den ‚Kampf-oder-Flucht-Modus‘ übergehen, und wir fühlen uns überfordert.
Damit sprechen Sie einen schmalen Grat an, auf dem man das Gleichgewicht halten muss: Welche praktischen Tipps aus der Neurowissenschaft könnten uns dabei helfen, das ‚Goldene Ziel‘ zu finden?
Wichtig ist zunächst, die Ziele in kleinere, messbare Teilziele zu unterteilen. Das führt zu einer regelmäßigen Dopaminausschüttung, da jedes erreichte Teilziel als kleiner Erfolg wahrgenommen wird. Darüber hinaus ist es wichtig, das ‚Warum‘ eines Ziels klar zu vergegenwärtigen: Wenn das Gehirn erkennt, warum ein Ziel wichtig ist und wie es mit unseren Werten und langfristigen Bedürfnissen verknüpft ist, steigt die intrinsische Motivation – das heißt, wir verfolgen das Ziel aus eigenem Antrieb und nicht nur, weil es von außen gefordert wird.
Das heißt, die emotionale Bedeutung eines Ziels spielt eine wichtige Rolle?
Genau! Das Gehirn reagiert nicht nur auf rationale Überlegungen, sondern auch auf emotionale und soziale Signale. Wenn wir ein Ziel mit positiven Gefühlen verknüpfen, stärkt das unsere Motivation. Es gibt sogar Studien, die zeigen, dass Menschen, die sich ihre Ziele visuell oder in Form von positiven Affirmationen immer wieder vor Augen holen, mit höherer Wahrscheinlichkeit ihre Ziele erreichen. Das macht Sinn, weil sie das emotionale Bild im Kopf haben, das sie antreibt.

Das klingt nach einer Mischung aus Wissenschaft und Motivationstraining! Was, glauben Sie, könnte die Zukunft der Neurowissenschaften in Bezug auf das Zielsetzen noch bringen?
Wir stehen erst am Anfang, die komplexen Prozesse im Gehirn beim Zielsetzen zu verstehen. Ich denke, dass künftige Forschungen uns noch präzisere Methoden liefern werden, um individuelle Unterschiede zu berücksichtigen und zu verstehen, warum bestimmte Menschen besonders gut im Setzen und Erreichen von Zielen sind, während andere Schwierigkeiten haben. Neurowissenschaftliche Fortschritte könnten helfen, personalisierte Ansätze zur Zielverwirklichung zu entwickeln, die auf den spezifischen Bedürfnissen des Einzelnen basieren.